H i n t e r g r ü n d e
Mit Erdung meinen wir eine Verbindung zum Boden, die weit über die taktile Wahrnehmung hinaus geht. Wir finden den Aspekt des Geerdetseins in vielen spirituellen Traditionen. Wenn uns die Meditation nicht erdet, laufen wir Gefahr uns zu verlieren oder zu sehr zu vergeistigen ohne uns zuvor mit unserem irdischen Dasein auseinandergesetzt zu haben. Eine Praxis, die uns mit dem Körper und dem Boden verbindet, schützt uns davor. Ein gutes Beispiel dafür finden wir im japanischen Zen-Buddhismus.
Hier geht es um die Entwickung von Hara, dem Bauchzentrum, das sich etwa drei Fingerbreit unterhalb des Nabels befindet und als das wichtigste Energiezentrum gilt. Im Hara verankert können wir den Herausforderungen des Lebens angstfrei begegnen und sind verbunden mit der tragenden und Sicherheit gebenden Energie der Erde. Gleichzeitig ist diese Verankerung ein Gegengewicht zum Kopf mit seinem unablässigen Denken.
Karlfried Graf Dürckheim, Psychotherapeut und Pionier des europäischen Zen, bezeichnete das Bauchzentrum als die "Erdmitte des Menschen". In der eigenen Mitte zu ruhen heisst, in der Erdmitte zu ruhen - ein starkes Bild voller Unerschütterlichkeit und Vertrauen in die Zugehörigkeit zum großen Ganzen.
Diese Aspekte sind auch in Kum Nye von großer Bedeutung. Wir gehen sogar davon aus, dass ohne Erdung keine wirkliche persönliche und spirituelle Entwicklung stattfinden kann.
Mit jeder Übung, sei sie im Sitzen oder Stehen, kultivieren wir diese Qualität. Im festen Kontakt mit dem Boden erleben wir Stabilität, Sicherheit und Vertrauen. Die Aufrichtung der Wirbelsäule fördert ein waches In-Sich-Ruhen. Wenn der Kontakt zur tragenden Erde gelingt, kann sich der Rumpf müheloser aufrichten. In dieser Aufrichtung und Offenheit zeigt sich widerum eine innere Bereitschaft für neue Erfahrungen. Öffnung geschieht auf der Basis erlebter Sicherheit.
In spiritueller Hinsicht hat Erdung eine noch viel weitreichendere Bedeutung, die über die personale Ebene hinausgeht. Wenn wir uns auf die Erde wirklich einlassen, sind wir mit unserem ganzen Sein getragen und mit der nährenden und erneuernden Kraft der Erde verbunden. Wenn wir uns erlauben, immer mehr da hinein loszulassen und zu entspannen, dann erleben wir in dieser Verbundenheit mit der Erde unsere Verbundenheit mit dem großen Ganzen.
Ein Einlassen auf den Boden bedeutet gleichzeitig ein Einlassen auf alles, was in der Meditation aufsteigt - z.B. persönliche Lebensthemen und Verspannnungsmuster, die nicht immer nur angenehm sind. Mit einer stabilen Basis können es wir es trotzdem wagen, uns darauf einzulassen um in unserer Entwicklung voranzuschreiten.